Pflichtteil
Wer in einem Testament, beispielsweise seiner Eltern, nicht erwähnt wird, ist enterbt, gleiches gilt, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist.
Enterbt wird in Deutschland mehr denn je. Häufig sind es Kinder aus früheren Ehen, die nicht mehr Erbe werden sollen oder die Eltern setzen sich gegenseitig aus Gründen einer besseren Versorgung zu Alleinerben ein. Auch für diesen Fall werden für den Todesfall des ersten Elternteils die eigenen Kinder enterbt, auch wenn sie letztendlich als Schlusserbe eingesetzt werden.
Hier sollte entschieden werden, ob man jetzt seinen Pflichtteil nach dem verstorbenen Elternteil fordert oder den Schlusserbfall abwartet. Man sollte sich die Frage stellen, was nach dem Tod des letzten Elternteils vom Nachlass noch bleibt. Die Geltendmachung des eigenen Pflichtteils bedeutet nicht automatisch, den hinterbliebenen Elternteil in Not zu stürzen, da hier vernünftige und moderate Lösungen ausgehandelt werden können.
Dazu muss der Anspruch zunächst durchgesetzt werden.
Nur die nächsten Familienangehörigen sind überhaupt pflichtteilsberechtigt, dass sind die Kinder, der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die Eltern des Erblassers, wenn keine Kinder vorhanden sind. Keinen Pflichtteilsanspruch haben z. B. Geschwister, Onkel, Tante sowie der nichteheliche Lebensgefährte. Entfernte Abkömmlinge, also Enkel usw., können pflichtteilsberechtigt sein, wenn ihr Elternteil als Kind des Erblassers vorverstorben ist.
Es ist wichtig, zu wissen, ob man bei einem Todesfall pflichtteilsberechtigt ist, da kein Gericht oder Behörde einen hierauf hinweist. Wer einen Pflichtteil geltend machen will, muss selbst aktiv werden und darf nicht zu lange warten, da dieser Anspruch nach drei Jahren verjährt.
Wer meint, pflichtteilsberechtigt zu sein, sollte sich zügig an einen Experten wenden, da ein falsches Vorgehen vermieden werden muss. Wird beispielsweise das Erbe ausgeschlagen, geht in der Regel nicht nur das Erbrecht, sondern auch der Pflichtteilsanspruch verloren. Andererseits kann ein durch ein Testament oder Erbvertrag Bedachter durch die Erbausschlagung den Pflichtteilsanspruch herstellen, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen und dies günstiger ist als Erbe zu sein. Eine Erbausschlagung ist aber bereits innerhalb einer 6-Wochenfrist durchzuführen, so dass Eile geboten ist. Möglicherweise ist auch ein Restpflichtteil geltend zu machen, wenn man zwar im Testament bedacht wurde, wertmäßig aber geringer als der eigene Pflichtteilsanspruch dasteht. Hier gibt es viele Spezialfragen, die für einen Laien in der Regel nicht ohne Hilfe zu beantworten sind.
Aufgrund der seit dem 01.01.2010 geltenden Erbrechtsreform gibt es wichtige Veränderungen. Die vollständige Entziehung des Pflichtteils durch den Erben ist erleichtert worden, Pflegeleistungen finden eher Berücksichtigung zu Gunsten des Pflegenden, die Aufgabe des eigenen Berufs ist nicht mehr notwendig. Wer als Erbe einen Pflichtteilsberechtigten auszahlen muss, hat jetzt leichter die Möglichkeit einer Stundung.
Eine wichtige Veränderung gibt es auch bei der Pflichtteilsergänzung. Diese in der Praxis sehr wichtige Vorschrift besagt, dass Schenkungen des Erblassers an einen Dritten innerhalb von 10 Jahren wertmäßig dem Nachlass zugerechnet werden und so den Pflichtteilsanspruch erhöhen. Wenn beispielsweise der Erblasser wenige Jahre vor seinem Tod seine Immobilie an die Freundin schenkt und damit den Pflichtteilsanspruch der Kinder reduziert, haben diese die Möglichkeit, eine so genannte Pflichtteilsergänzung zu verlangen. Es soll somit der Zustand hergestellt werden, als ob es diese Schenkung nicht gegeben hätte. Vor der Erbrechtsreform wurde jede Schenkung innerhalb von 10 Jahren voll dem Nachlass zugerechnet, nunmehr gilt, je länger die Schenkung zurückliegt, umso weniger erhöht sie den Pflichtteilsanspruch. Lediglich innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall wird der Wert voll berücksichtigt, so dann jährlich um 1/10 weniger.
Gerade bei der in der Praxis häufigen Immobilienübertragung, z. B. an die Lieblingskinder, ist genau zu prüfen, wann diese Frist beginnt. Auch bei Grundstücksübertragungen, die mehr als 10 Jahre zurückliegen, ist zu ermitteln, ob beispielsweise der Erblasser sich einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht, um in der Immobilie weiter selbst zu leben, vorbehalten hat, wie dies häufig üblich ist. Wenn der „Genuss“ des geschenkten Gegenstandes beim ursprünglichen Eigentümer verbleibt, so geht die Rechtsprechung z. T. davon aus, dass diese Frist erst mit dem Tod des Erblassers zu laufen beginnt, nicht mit der Grundstücksübertragung. So können auch Schenkungen, die mehr als 10 Jahre zurückliegen eine Rolle spielen.
Generell gilt:
Pflichtteilsrecht ist ein schwieriges Rechtsgebiet. Es gilt, schnell zu handeln, um keine Nachteile zu erleiden und die Heranziehung eines Spezialisten ist zu empfehlen.